Es packte mich zwei Jahre bevor diese Bilder entstanden. Ich bin verrückt nach Radfahren und Kurierradeln war der Alltagskick in Deutschland. Von Gerüchten war mir die Existenz einer kleinen Kurierfirma in Mexiko Stadt bekannt – geführt von zwei Dänen.

Nach den ersten Wochen als Autobeifahrer in Mexiko schwöre ich mir nie auf ein Rad zu steigen. Als mich die Suche aber in das kleine Ein-Zimmer-Büro der "Ciclos" führt, wird die Versuchung zu groß. Die mexikanische Fraktion der weltweiten Kurierfamilie freut sich über den Besuch und die Suche nach einem Rad endet im Hinterhof. Zwischen Hunden und deren Toilette finden wir Teile, die zu einem Rad zusammengebastelt werden.

Kurz darauf sitze ich als Fahrernummer 57 schwitzend auf 2000m Höhe im Sattel und strample grinsend sechsspurige "Avenidas" entlang. Der Genuss für einen "Flenspunkte" gestraften deutschen Kurier wird auf Dauer anstrengend: Verkehrsrichtung und Ampelfarbe sind als optional zur Selbstinterpretation der Verkehrslage anzusehen und Polizisten grüßen dabei mit "órale güero!". Gängige Straßennamen wiederholen sich in der Stadt mehrere dutzend Male und Hausnummern gehorchen, wenn es sie gibt, häufig keinem System. Die Strecken sind enorm und nach einer Stunde geradeaus helfen nur ein paar bereits an der roten Ampel wartende Erdnüsse, die viel zu oft von Kindern, die in der Schule sein sollten, angeboten werden. Der Kurierlohn von fünf Stunden ist vom anschließenden Mittagessen beinahe zur Hälfte aufgezehrt. Ich begreife nun was es bedeutet Pesos zu verdienen.

 

Nachts heben sich auf dem Heimweg unter den surrenden Leuchtreklamen sechs Scheinwerferkegel und nehmen die Verfolgung meiner selbst auf, nachdem ich über Rot vorausgeeilt war. Wie eine "cucaracha" wirkt der Radkurier im Wald der Säulen der sich kreuzenden Brücken der zweistöckigen Stadtautobahn. Die Stadt ist einfach unfassbar in ihrer Dimension – allein bei der Auffahrt einer Brücke erhebt man sich über die urbane Unendlichkeit der über 200 Seiten Straßenverzeichnis.

Genau in so einem Moment hänge ich an Peters Hinterrad und genieße mit dem Gründer der "Ciclos" den Feierabendstau auf dem zwölfspurigen "Circuito Interior". Einhändig folge ich ihm im Slalom zwischen den Autos mit dem Blick durch die Kamera und habe Mühe in keinen offenen Kanal zu stürzen. Die Sonne geht unter, aber die Straßen pulsieren unermüdlich weiter.

 

 

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